Asset & Property Management
25.07.2023

Property Management per Autopilot

Wie wird Künstliche Intelligenz (KI) unseren Markt und unser Geschäftsmodell verändern? Vor dieser großen Fragestellung stehen derzeit viele Branchen. Besonders Unternehmen im Bereich Residential Property Management sollten sich mit ihrer Beantwortung auseinandersetzen, da sich im Immobilienmanagement zahlreiche Anwendungsbereiche für den Einsatz von KI-Technologien finden. Trotz des zunehmenden Digitalisierungsgrads sind Immobilienverwaltungen weiterhin Nachzügler in der Automatisierung ihrer Geschäftsabläufe und das hat nachvollziehbare Gründe: Ein komplexes Ökosystem an unterschiedlichen Stakeholdern, die geringe Verfügbarkeit an strukturierten digitalen Daten und eine verhältnismäßig geringe interne Fachkompetenz, wenn es um den Einsatz moderner Softwaresysteme geht. Bei all diesen Herausforderungen könnte die neueste Generation an KI-Lösungen den entscheidenden Entwicklungssprung liefern, um den Produktivitäts-Rückstand in kurzer Zeit aufzuholen.

 

Einer der naheliegendsten Bereiche für den Einsatz von KI-Technologie ist die Kundenbetreuung. Ein großer Teil der Arbeitszeit vieler Verwaltungsmitarbeitenden fließt in die Aufnahme, Bearbeitung und Beantwortung von Kundenanliegen, angefangen von Schadensmeldungen, über Rückfragen zu Abrechnungen bis hin zu allgemeinen Auskünften, die über die unterschiedlichen Kanäle bei der Verwaltung eintreffen. Diese Anfragen haben einen stark repetitiven Charakter und beinhalten gewisse Muster, die sich besonders gut durch generative KI-Modelle wie ChatGPT erlernen und anwenden lassen. Schon jetzt liefern solche Systeme mehr als brauchbare Ergebnisse, wenn es darum geht, Anfragen auf deren Kernaussagen zu reduzieren und passende Antworten zu liefern. Im Zusammenspiel mit historischen Daten zu vergleichbaren Vorfällen lässt sich vorhersagen, wie die Immobilienverwaltung im Regelfall reagiert und welche Folgeschritte eingeleitet werden. So könnte die KI bei einem Schadensfall nicht nur den Grund des Anliegens, die:den betroffene:n Mieter:in und das entsprechende Gebäude ermitteln, sondern auch gleich eine passende Rückmeldung an den:die Kund:in verfassen, zusätzlich erforderliche Informationen anfordern sowie ggf. eine Reparatur per Handwerker-Auftrag in die Wege leiten oder die Versicherung informieren.

 

Die Voraussetzung dafür sind wie so oft Daten. Diese müssen in digitaler Form vorliegen und der KI zur Verfügung stehen.Im Normalfall werden sie durch unterschiedliche Datenquellen, wie zum Beispiel ERP, CRM und DMS, per API zugänglich gemacht. Erst dann kann eine KI ihre größte Trumpfkarte ausspielen und diese unterschiedlichen Datensätze und oftmals unstrukturierten Daten auf selbstständige Art und Weise kombinieren. Wo in der Vergangenheit Workflows manuell modelliert und für jeden Anlass konkrete Zuständigkeiten und Arbeitsschritte festgelegt werden mussten, suchen sich die Algorithmen jetzt anhand von Wahrscheinlichkeiten ihren eigenen Weg. Und dieser wird sehr stark davon geprägt sein, wie umfangreich und zuverlässig die Datengrundlage ist, mit der solche KI-Modelle branchen- sowie unternehmensspezifisch trainiert werden. Immobilienverwaltungen, die bereits seit einiger Zeit konsequent auf digitale Arbeitsabläufe setzen, werden hier entsprechend von der vorhandenen Datenfülle profitieren. Es empfiehlt sich also nicht erst auf KI-Technologien zu warten, sondern die Ablöse analoger Abläufe als Voraussetzung für die zukünftige Automatisierung zu betrachten.

 

Auch in den Dokumenten, die im Zuge der Verwaltung eines Gebäudes erstellt und verarbeitet werden, steckt enormes Potenzial, den Arbeitsalltag einer Immobilienverwaltung zu erleichtern. Betriebskostenabrechnungen, Energieausweise und Wartungsverträge beinhalten wertvolle Inhalte, die derzeit kaum systematisch genutzt werden. Mit Hilfe von KI ließen sich diese Daten erschließen und daraus nützliche Informationen gewinnen, auf deren Basis fundierte Entscheidungen getroffen werden können. Denkbar wäre etwa ein KI-gesteuerter Procurement-Assistent, der anhand bestehender Vertragsdaten, Preisinformationen und den derzeit marktüblichen Konditionen zum passenden Zeitpunkt eine Kaufempfehlungen ausspricht, im Idealfall unter Einbeziehung von Vergleichsangeboten. Der:die Immobilienverwalter:in kann dadurch der treuhänderischen Pflicht nachkommen, und zwar bei minimalem administrativen Aufwand.

 

Die große Mehrheit der Immobilienverwaltungen in Deutschland leidet unter chronischem Mitarbeitermangel. Der Entlastung der Belegschaft durch den Einsatz von KI kommt dabei eine ganz zentrale Bedeutung zu. Hier kann KI gleich auf zweierlei Art und Weise einen Beitrag leisten. Die zuvor erwähnten Anwendungsfälle führen dazu, dass die Produktivität von hochqualifizierten Mitarbeiter:innen erhöht wird, indem automatisierbare Vorgänge von der KI übernommen werden und die gewonnene Arbeitszeit in anspruchsvollere Tätigkeiten fließen kann. Gleichzeitig kann der Einsatz von KI den Arbeitsalltag für Quereinsteiger.innen erleichtern. Denn die Komplexität der rechtlichen, steuerlichen und technischen Themen, die rund um die Verwaltung von Immobilien von Bedeutung sind, erschweren den Berufseinstieg. Dieses Fachwissen könnte zukünftig in Form einer KI zur Verfügung stehen, die als Quelle einschlägige Branchenpublikationen, Rechtstexte und Fachliteratur auf einfache Art und Weise, etwa in Dialogform ähnlich jener von ChatGPT, zugänglich macht. Und auch hier spielt der Zugang zu den unternehmensinternen Daten eine wichtige Rolle, damit diese als Kontext genutzt werden können. Dann könnte eine KI nicht nur beantworten, welche Art von energetischer Sanierung förderungsfähig wäre, sondern anhand der Datenbasis auch jene Immobilien im Portfolio identifizieren, die den Anforderungen entsprechen.

Dann könnte eine KI nicht nur beantworten, welche Art von energetischer Sanierung förderungsfähig wäre, sondern anhand der Datenbasis auch jene Immobilien im Portfolio identifizieren, die den Anforderungen entsprechen.

Nun stellt sich nur noch die Frage: Wie werden diese Potenziale für die breite Masse an Immobilienverwaltungen zugänglich? Eine gute Ausgangslage bieten etablierte Softwarelösungen aus dem branchennahen ERP- und CRM-Bereich, die den entscheidenden Zugang zu den Daten und Prozessen der Property Manager besitzen, und fähig sind, darauf aufbauende KI-Systeme flexibel einzusetzen. Sollte diese Symbiose gelingen, und davon ist auszugehen, steht der Branche schon bald ein signifikanter Sprung in Sachen Automatisierung bevor.

Peter Schindlmeier

Peter Schindlmeier

Geschäftsführer casavi
Peter Schindlmeier ist CEO und Gründer von casavi. Das 2015 gegründete Proptech Unternehmen automatisiert mit seiner Cloud-Plattform manuelle Prozesse in der Immobilienverwaltung und verbessert so die Produktivität bei aktuell 1.300 Unternehmen in mehreren europäischen Ländern.