Energieautarke digitale Gebäudekonzepte
PV-Mieterstrom und Wärmepumpe müssen zusammen gedacht werden
Die europäische Immobilienwirtschaft steht auf dem Weg in eine CO2-neutrale Zukunft vor großen Herausforderungen. Zuletzt haben explodierende Energiepreise und regulatorische Verschärfungen den Druck erhöht. Angesichts dieser Entwicklungen und des beschleunigten Klimawandels sind energieeffiziente Immobilien gefragter denn je.
Von Eigentümern und Wohnungsunternehmen werden zunehmend CO2-neutrale und energieeffiziente Lösungen erwartet. Die Wertabschläge auf besonders ineffiziente Immobilien lagen laut Daten von Immoscout24 im ersten Quartal 2023 je nach Region bereits bei 33 bis 51 Prozent – Tendenz steigend. Wer seinen Bestand nicht energetisch fit macht, wird erhebliche Wertverluste in der Bilanz hinnehmen müssen. Doch wie können Immobilien- und Wohnungswirtschaft ihre Gebäudeportfolien möglichst kosteneffizient dekarbonisieren? Der Schlüssel liegt in der Integration erneuerbarer Energien.
Photovoltaik-Mieterstrom als Einstieg in die Gebäudedekarbonisierung
Photovoltaik-Mieterstrom eignet sich hierbei als Einstieg in die Dekarbonisierung von Gebäuden. Der PV-Strom vom Dach kann dann für die Gebäudetechnik genutzt werden und kommt außerdem den Mieter:innen in Form von günstiger Energie zugute. Durch die Stromerzeugung vor Ort entfallen Netzentgelte und Stromsteuer, wodurch der Strom günstig angeboten werden kann.
Für Immobilienunternehmen lässt sich dies über einen Dienstleister realisieren, der die Dächer pachtet und die Umsetzung im gesamten Gebäudeportfolio übernimmt – von der Installation, Finanzierung und dem Betrieb der PV-Anlagen über die energiewirtschaftlichen Prozesse bis hin zu Smart Metering, Software, Abrechnung und Kundenservice.
Verbrauchssteuerung durch digitale Messkonzepte
Die digitale Umsetzung von PV-Mieterstrom ist Voraussetzung für einen kosteneffizienten Betrieb. Digital bedeutet in diesem Kontext: Moderne Smart Meter erfassen die Stromproduktion und die Verbräuche aller Nutzer. Über eine spezielle Softwareplattform werden die Energiemengen dann viertelstündlich bilanziert und präzise abgerechnet. Eine manuelle Ablesung von Energiemengen ist nicht erforderlich.
Für die Mieterinnen und Mieter ergibt sich daraus, dass ihre aktuellen Stromkosten in Echtzeit dargestellt werden. Die Abrechnung erfolgt monatlich. Somit entfällt die intransparente Abschlagslogik herkömmlicher Stromanbieter und es wird nur bezahlt, was auch wirklich im Monat verbraucht wurde. Zusätzlich wird angezeigt, wie viel CO2 durch den Bezug von Ökostrom eingespart wird (im Vergleich zum deutschen Strommix 2020).
PV-Mieterstrom in Kombination mit Wärmepumpen
Der vor Ort produzierte Strom aus der PV-Anlage vom Dach kann im Mieterstrommodell aber nicht nur für die allgemeine Gebäudetechnik und die Mieter:innen genutzt werden, sondern dient zunehmend auch zur Belieferung von Wärmepumpen.
Die Kombination aus Wärmepumpen und Photovoltaik ist eine äußerst effiziente Lösung zur Reduzierung der CO2-Emissionen und zur nachhaltigen Versorgung von Gebäuden mit Wärme und Strom. Durch die Nutzung erneuerbarer Energiequellen tragen Wärmepumpen in Kombination mit Photovoltaik zu einer umweltfreundlichen und kostengünstigen Beheizung von Gebäuden bei. Wichtig ist, dass der Strom vom Dach durch CO2-freien Strom aus dem Netz für eine lückenlos saubere Energieversorgung ergänzt wird.
Durch den Einsatz von PV-Mieterstrom in Kombination mit Wärmepumpen können die CO2-Emissionen eines Gebäudes deutlich reduziert werden. PV-Mieterstrom allein senkt die Treibhausgase im Gebäudebetrieb bereits um 20 bis 30 Prozent. Wird eine Wärmepumpe in das Energiesystem integriert, beträgt die Einsparung bis zu 100 Prozent. Damit ist eine ganzheitliche Dekarbonisierung des Gebäudes im Betrieb möglich, ohne zwangsläufig umfassend sanieren zu müssen. Zusätzlich ist die Einbindung von E-Ladestationen denkbar.
Um einen kosteneffizienten Betrieb von (Hochtemperatur-) Wärmepumpen auch in unsanierten bzw. teilsanierten Quartieren möglich zu machen, sollte ein modernes Mieterstromkonzept die günstige Solarstromversorgung vom Dach mit günstigen Wärmepumpentarifen aus dem Netz verbinden können. Denn insbesondere im Winter, wenn relativ wenig Solarstrom vorhanden ist, benötigen Wärmepumpen zusätzlichen Strom.
Durch innovative energiewirtschaftliche Ansätze ist es nun möglich, den Anspruch auf reduzierte Netzentgelte für Wärmepumpen und Ladesäulen mit der Lieferung von Solarstrom in einem PV-Mieterstromkonzept zu kombinieren. Dank einer intelligenten Verknüpfung von Photovoltaik, Smart Metering, modernen Wärmepumpen und Netzstrom können so viele Quartiere auch mit deutlich verringertem Sanierungsaufwand dekarbonisiert werden.
Wichtig ist, dass Immobilienunternehmen die Dekarbonisierung entschlossen angehen und trotz unsicherer Marktlage jetzt ins Handeln kommen.
Jetzt ins Handeln kommen
Dr. Ernesto Garnier
Nach seinem Studium der Betriebs- und Volkswirtschaften in Rotterdam, Los Angeles und London startete er als Berater der Boston Consulting Group mit Schwerpunkt digitale Geschäftsmodelle für Energieversorger. Zwischenzeitlich promovierte er in Energieökonomik zu virtuellen Kraftwerken an der RWTH Aachen. 2017 gründete er EINHUNDERT mit der Vision einer Dekarbonisierung des europäischen Gebäudebestandes.